NICHOLAS SPARKS Liebe ist das wichtigste Gefühl. Ohnen Liebe sind wir gar nichts. Nicholas Sparks

© Roman Raacke

Nicholas Sparks über das Schreiben

Sie arbeiteten jahrelang als Handelsvertreter für ein Pharmazieunternehmen, bevor Sie mit Ihrem ersten Roman „Wie ein einziger Tag“ den großen Durchbruch schafften. Wie konnten Sie sich in dieser Zeit zum Schreiben motivieren?

Am wichtigsten für mich war die Tatsache, dass ich, 28jährig, künftig nicht alle paar Jahre mit meiner Familie umziehen wollte. Außerdem wusste ich, dass ich nicht mein Leben lang Pharmazievertreter sein wollte. Ich hatte also eine Erleuchtung. Ich sagte mir: „Okay, ich gebe dem Schreiben noch einen Versuch“, und arbeitete an der Geschichte zu „Wie ein einziger Tag“. Damals hatte ich bereits zwei kleine Kinder. Zeit zum Schreiben blieb also nur von 9 Uhr abends bis Mitternacht, drei-, viermal die Woche. Sechs Monate später schloss ich den Roman ab. Davor hatte ich drei Jahre lang überhaupt nichts geschrieben.

Sie haben mal gesagt, dass Sie ganz bewusst das Genre „Liebesroman“ gewählt haben, weil es dort so gut wie keine Konkurrenz gab. Was ist so schwierig daran, eine moderne Liebesgeschichte zu schreiben?

Das schwierigste daran ist, dass sich fast alles um innere Konflikte dreht, und ein innerer Konflikt ist viel schwerer darzustellen als ein äußerer. Es ist ein großer Unterschied, ob in einem Buch einfach plötzlich der Bösewicht mit dem Messer vor dem Fenster auftaucht. Oder ob, wie in meinen Büchern, Fragen behandelt werden wie „Wird er mich lieben?“, „Liebe ich ihn?“, „Ist das die richtige Entscheidung?“. Damit ist viel schwieriger Spannung für ein ganzes Buch zu erzeugen.

Gibt es andere Buchgenres, die Ihrer Meinung nach genauso stiefmütterlich behandelt werden und daher ein gutes Betätigungsfeld für einen Autor wären?

Ich finde, für gute historische Romane gibt es noch viel Platz. Diese Romanart ist sehr herausfordernd, weil man dort so viel recherchieren muss – schließlich müssen ja alle geschichtlichen Details stimmen. Großartig finde ich zum Beispiel „Die Einkreisung“ von Caleb Carr oder „Sparta“ von Steven Pressfield. Hier könnte man noch viel mehr gute Bücher brauchen.

Sie haben bereits 16 Bestseller geschrieben, und viele davon wurden auch noch Blockbuster im Kino. Wie wählen Sie Ihre Storys aus, damit sie auch gut verfilmbar sind?

Um ehrlich zu sein, weiß ich das gar nicht so genau. Ich bemühe mich aber stets, die bestmögliche Geschichte zu schreiben. Ich hatte großes Glück mit Hollywood, wohl auch, weil ich mit großartigen Produzenten arbeiten durfte, die tolle Filme gemacht haben. Da hatte ich wirklich ungewöhnlich viel Glück. Aber wenn ich mir eine Geschichte ausdenke, plane ich sie immer zuerst als Roman. Einige meiner Romane, deren Verfilmung ich ideal gefunden hätte, konnten nicht in Hollywood verkauft werden – „Du bist nie allein“ etwa, oder „Bis zum letzten Tag“. Ich war mir so sicher, dass die verkauft würden, aber nein. Das habe ich dann auch geschluckt – und weiter meine Romane geschrieben.

Sie sind ja auch fünffacher Familienvater. Welche Tipps haben Sie für Autoren, die zwischen Familienleben und der Erfüllung ihrer Träume jonglieren müssen?

Sie müssen sich Zeit reservieren. Denn eigentlich haben Sie jede Menge Zeit für beides. Sie müssen aber etwas anderes dafür aufgeben. Fernsehen zum Beispiel, oder Zeitungslektüre. Wenn Sie wirklich schreiben wollen, dann finden Sie auch die Zeit dafür. Wenn Sie am Tag beispielsweise neuen Stunden für Arbeit und den Weg dorthin einrechnen und acht Stunden Schlaf – und die kriegt ja schon nicht jeder – dann haben Sie immer noch sieben Stunden für Essen und Sport. Auch wenn es nur fünf oder sechs sein sollten, hätten Sie noch eine Menge Zeit für die Familie übrig. Und Zeit zum Schreiben. Ich zum Beispiel habe geschrieben, wenn meine Frau früh ins Bett ging. Ähnlich könnte man auch sehr zeitig aufstehen und noch vor der Arbeit schreiben.

Wie sieht Ihr Arbeitsprozess an einem Buch aus? Wie entwickeln Sie Ihre Figuren?

Üblicherweise starte ich mit einer Reihe von "Was wäre, wenn…"-Fragen. Dabei habe ich mein früheres Werk im Auge und suche nach einem Feld, das ich noch nicht beackert habe. Zum Beispiel das Alter meiner Helden – denn jede Altersgruppe hat ihre eigenen Probleme. Sobald ich eine gute Vorstellung davon habe, wo es hingehen soll, bekommt jede Figur ihren eigenen dramatischen Bogen – sei es nun hin zur Erlösung, zur Hoffnung, zu Verlust oder Tod. Und dann arbeite ich an den Details. Wenn ich eines gelernt habe beim Schreiben, dann, dass es keinen Königsweg gibt. Stephen King schwört, dass er das Ende seiner Romane nicht kennt, wenn er mit dem Schreiben beginnt. Das kann ich mir für mich gar nicht vorstellen. John Grisham entwirft ein fünfzigseitiges Konzept. Ich dagegen schreibe nicht eine einzige Seite Exposé. Es kann zwei Wochen aber auch fünf Monate dauern, bis alle Figuren und Details der Handlung stehen, und bis ich genau weiß, was das Schicksal aller Figuren ist und wie sie am Ende zusammenkommen. Aber das findet allein in meinem Kopf statt

Sie sind bekannt dafür, niemals Geschichten über Untreue zu schreiben. Wieso haben Sie diese Entscheidung getroffen? Und wie wägen Sie Ihre eigenen Themenwünsche gegen die des Publikums ab?

In jeder Liebesgeschichte braucht es einen Konflikt, ein Hindernis, das die Liebenden voneinander trennt. Ohne Konflikt ist keine Spannung in der Geschichte. Das banalste Problem, warum zwei Figuren nicht zueinander finden, ist nun einmal, dass einer von beiden mit jemand anderem verheiratet ist. Das ist mir zu leicht, da sehe ich keine Herausforderung. Das hat es auch schon oft gegeben – im Fernsehen, im Kino, in anderen Romanen, beispielsweise in „Die Brücken von Madison County“ oder in „Der Pferdeflüsterer“. Außerdem will ich das nicht verherrlichen.

Viele Schriftsteller haben auch mit Ablehnung zu kämpfen. Woran können sie erkennen, ob ihr Romanprojekt tatsächlich gut ist oder ob sie es lieber mit etwas anderem versuchen sollten?

Man muss sich einfach klarmachen, dass bestimmte Ideen nicht funktionieren. Da läuft viel über den Instinkt. Wenn man viel schreibt und viel liest, weiß man eher, was funktioniert und was nicht. Ich lege hohe Maßstäbe an meine Ideen an, und wenn ein Konzept dem nicht gerecht wird, muss ich es sausen lassen. Das kann im Stadium des ersten Durchplanens sein oder aber auch, wenn ich schon 200 Seiten geschrieben habe, die ich dann wegwerfen muss. So ist es mir tatsächlich letztes Jahr ergangen. Ich begann einen Roman mit dem Arbeitstitel „Saying Goodbye“. Nach 200 Seiten merkte ich: Das funktioniert so nicht. Also schrieb ich stattdessen einen ganz anderen Roman, „Wie ein Licht in der Nacht“. Das andere Fragment wird wahrscheinlich nie vollendet und mal mit mir zu Grabe getragen werden. Aber verschiedene Motive daraus werden wohl in anderen Romanen auftauchen, die ich noch schreiben werde.

Das Gespräch führte Jeff Rivera, © WebMediaBrands Inc. 2011
Den vollständigen Originalartikel finden Sie unter: www.mediabistro.com